„Unser Kind ist willkommen“ – Herbstforum des Peter-Joerres Gymnasiums und der Lebenshilfe Stiftung Ahrweiler

Podiumsdiskussion zum Thema „Unser Kind ist willkommen“ – Vom Wunschkind zum Designerbaby – Bluttests – Pränataldiagnostik – Spätabtreibung

Am 03. November war es soweit, das Herbstforum des Peter-Joerres-Gymnasiums fand in Kooperation mit der Lebenshilfe Stiftung Ahrweiler im Peter-Joerres-Gymnasium in Ahrweiler statt.p1020744

Auf dem Podium diskutierten unter der Moderation von Herrn Professor Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz, Rhein-Ahr Campus Remagen, Frau Professor Dr. Ursula Rieke, die ärztliche Leitung der Katharina Kasper-Stiftung, mit dem katholischen Seelsorger Dr. Christoph Zimmermann-Wolf aus Neuwied und Frau Barbara Jesse, der Vorsitzenden des Landesverbandes der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz.p1020746

Auch viele Schüler des Peter-Joerres-Gymnasiums nahmen an der Veranstaltung teil. Das Thema war bereits im Voraus Unterrichtsgegenstand der Oberstufe.

p1020755Gerd Jung, Vorsitzender der Lebenshilfe Stiftung Ahrweiler und Direktor der Levana Förderschule im Kreis Ahrweiler eröffnete die Podiumsdiskussion mit dem Hinweis auf das „Levana-Prinzip“, das besagt, dass es nicht nur kein »lebensunwertes Leben«, sondern auch kein lebenswerteres bzw. lebensunwerteres Menschsein geben darf.

Nachfolgend wies Professor Dr. Sell alle Anwesenden auf die aktuelle Problematik des viel diskutierten Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hin. Die aktuellen Planungen könnten für Menschen mit Behinderungen leider auch Benachteiligungen in verschiedenen Bereichen mit sich bringen.

barbara-jesseFür die Lebenshilfe berichtete Barbara Jesse, Mutter einer schwerbehinderten Tochter und eines nichtbehinderten Sohnes kurz über das Leben mit einer schwerbehinderten Tochter. Sie stellte die Frage, „was ist eigentlich anders bei einem Leben mit einem behinderten Kind? Auch wir führen ein normales Familienleben“.

prof-dr-med-riekeFrau Professorin Dr. med. Ursula Rieke berichtete über ihre Erfahrungen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Beraterin von Eltern deren ungeborene Kinder die medizinische Diagnose einer Behinderung bekommen haben.

hr-zimmermann-wolfDr. Christoph Zimmermann-Wolf erzählte von seiner Tätigkeit als Seelsorger. „Unser Kind ist willkommen ist häufig einfach gesagt aber doch schwieriger angenommen. Oftmals ist unser Kind willkommen aber nicht bei allen!“. Vergleichbar sei eine solche Situation auch mit der Situation von Patienten, die sich nach einer Erkrankung wie z.B. einem akuten Schlaganfallereignis nicht mehr gebraucht fühlen – nicht mehr willkommen.

Herrn Prof. Dr. Sell stellte die Frage, ob die Entwicklung der immer billigeren Bluttests dazu führen, dass diese auch zum Standard werden. Hier waren sich alle drei Podiumsmitglieder einig, dass die in Gang gesetzte Entwicklung nicht mehr wirklich aufgehalten werden kann. Dennoch forderte Prof. Dr. med. Rieke die Möglichkeit nach individuellen Entscheidungen, für wen die Kosten eines Bluttests von der Krankenkasse übernommen werden sollen und wer selber zahlen muss.

Barbara Jesse stellte klar, dass die Lebenshilfe diese Entwicklung sehr kritisch sieht und Sorge hat, dass so besonders Menschen mit Behinderung „aussortiert“ werden könnten.

In diesem Zusammenhang machte Dr. Zimmermann-Wolf deutlich, dass gerade einmal 5% der Menschen mit Behinderung angeborene Behinderungen haben. Und von diesen 5% lassen sich auch gerade einmal 5% der Behinderungen mit Hilfe des Bluttests frühzeitig erkennen. Häufig sind die eigenen Vorstellungen, Sorgen und persönlichen Befürchtungen über das Leben mit einem behinderten Kind das größte Problem. Der Trend geht zum perfekten Kind.

Bei einer Studie mit Menschen, die ein behindertes Kind bekommen und sich gegen eine Abtreibung entschieden haben kam heraus, das besonders die Menschen, die spät schwanger werden, die Schwangerschaft als Geschenk ansehen. Sie sind sich bewusst, dass eine zukünftige Schwangerschaft nach einer Abtreibung vielleicht nicht mehr geht. Auch spielen religiösen und ethischen Aspekte sowie die Begegnung mit Menschen mit einer Behinderung sowohl durch das private Umfeld oder den Beruf eine Rolle. Andere Entscheidungen zu treffen, als die „breite Masse“ es „empfiehlt“.

Gerd Jung bestätigte die Studie. Er wies darauf hin, dass viele zukünftige Eltern in ihrem bisherigen Leben kaum bis gar keinen Kontakt mit Menschen mit Behinderungen hatten. „Ihnen fehlt schlichtweg die persönliche Erfahrung und somit greifen sie auf Berichte aus Film und Fernsehen sowie Erzählungen anderer zurück“, so Gerd Jung.

In Deutschland findet der Kontakt mit Menschen mit Behinderungen häufig noch hinter „verschlossenen Türen“ statt. Hier müsse ein Umdenken stattfinden – das Thema Inklusion muss weiter vorangetrieben werden.

Dr. Zimmermann-Wolf wies darauf hin, dass der Bluttest derzeit „nur“ die sogenannten Trisomien (Down-Syndrom) erkennen kann. Die Gefahrerkennung weiterer Behinderungen ist bislang noch nicht möglich.

Frau Prof. Dr. Rieke ist sich jedoch sicher, dass die Bestimmung des ganzen Genoms, also aller genetischen Voraussetzungen, von ungeborenen Kindern sicherlich in den kommenden Jahren auch möglich sein wird.

Auf die wichtige Rolle des Arztes bei der Mitteilung der Diagnose wiesen Frau Jesse und Frau Prof. Dr. med. Rieke hin.

Während der Beratung und ganz allgemein im Gespräch würden wichtige Weichen gestellt. Die Wortwahl, der Gesichtsausdruck, alles kann Auswirkungen auf die Sichtweise der Eltern haben. Meistens ist der Schwangerschaftsabbruch keine rationale Entscheidung, weiß Dr. Zimmermann-Wolf.

Prof. Dr. Sell sieht in der Zunahme an Bluttests die Ursache im Bestreben des Menschen, sich gegen alle Eventualitäten absichern zu wollen.

Für Herr Dr. Zimmermann-Wolf bieten die Bluttests aber auch Chancen. Werdende Eltern könnten sich nach der Diagnose entsprechend vorbereiten. Aber: „Nach der Geburt warten noch so viele Unwägbarkeiten auf das Leben eines Kindes. Es ist eine Illusion, diese mit dem Bluttest während der Schwangerschaft aus dem Weg schaffen zu können“, so Zimmermann-Wolf.

Barbara Jesse machte zum Abschluss der Diskussion noch einmal deutlich, dass letztlich jeder für sich entscheiden muss. Der Standpunkt der Lebenshilfe sei, dass Leben nach der Befruchtung einer Eizelle beginnt. Leben, über das man mit Bedacht entscheiden sollte.

p1020775Zum Abschluss des Herbstforums bedankte sich der Schulleiter und Hausherr des Peter-Joerres-Gymnasiums, Herr Reiner Meier, für die lebhafte Diskussion unter Beteiligung des gesamten Publikums, die Kooperation mit der Lebenshilfe Stiftung Ahrweiler und überreichte den vier Podiumsrednern sowie Gerd Jung und Frau Friele, Lehrerin des Peter-Joerres-Gymnasiums und stellvertretende Vorsitzende der Lebenshilfe Kreisvereinigung Ahrweiler e.V. für die Organisation des Herbstforums ein kleines Präsent zum Dank.

 

[huge_it_share]

Teilen